Bericht aus dem Aufbaukurs I

Was vor einem Jahr unter dem Titel «Im Sterben behütet und begleitet» als Kurs in Sterbebegleitung begann, hat sich inzwischen zu einer professionellen und zertifizierten Ausbildung in Palliative Care entwickelt.

Einer der öffentlichen Vortragsabende im Rahmen der Palliative Care-Ausbildung, im März 2010 mit Pfrn. Rita Famos aus Zürich (Foto: zVg)

Einer der öffentlichen Vortragsabende im Rahmen der Palliative Care-Ausbildung, im März 2010 mit Pfrn. Rita Famos aus Zürich (Foto: zVg)

Nach dem Grundkurs absolvierten die ca. 90 Kursteilnehmerinnen und – teilnehmer im Spätherbst 2010 den Aufbaukurs I mit der bewährten Struktur: drei Einheiten mit Kursteil und Themenabend und eine vierte in Kleingruppen, die der Vertiefung der behandelten Inhalte diente. Das Kursgebiet ist entsprechend der weiter gefassten Aufgabe gewachsen. Die Neuausrichtung der Ausbildung schlägt sich in der Kursgestaltung nieder: Es wird mehr Grundwissen ausführlich und eingehend vermittelt. Die nicht ordinierten Freiwilligen in der Sterbebegleitung sollen neben den übrigen in der Palliativpflege tätigen Personen als ernst zu nehmende Partner auftreten.

Pflege als schützender Mantel

Sehr viel Gewicht legte der Aufbaukurs neben dem Thema Kommunikation auf Wesen und Menschenbild der Palliativpflege und die damit verbundenen praktischen Konsequenzen. Cornelia Knipping, MAS Palliative Care, der Theologe und Gerontologe Matthias Mettner und die Pflegefachfrau Maja Soland machten von ihren unterschiedlichen Tätigkeiten her klar, dass stets der ganze Mensch mit seiner Lebensgeschichte gemeint ist und dass die ärztliche, pflegerische oder seelsorgerliche Betreuung die Kranken nicht zu Objekten von spezifischen Zugriffen herabwürdigen darf. Die Pflege soll sie vielmehr wie ein Mantel (lateinisch pallium) umgeben. So haben sie die Möglichkeit, ihr Selbstwertgefühl wiederzufinden, ein Stück Autonomie zurückzugewinnen und bedrückende Gefühle angesichts von Hilflosigkeit, Sinnleere und Einsamkeit nicht überhand nehmen zu lassen.

Was Palliativpflege leisten kann, zeigte Cornelia Knipping an zwei Beispielen: Eine Patientin litt unter schwerer Atemnot. Die Pflegende fragte sie nach ihrem Lebenshintergrund. Dabei ergab sich, dass sie Flötistin gewesen war. Dann solle sie doch so atmen, wie sie das als Musikerin praktiziert hatte. Die Beschwerden konnten so gelindert werden.
Eine Studentin hatte in einem Praktikum Demente zu pflegen, unter ihnen eine alte Frau, die seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte. Als ihr die Praktikantin sorgsam das Essen eingab und nach jedem Löffel Mund und Kinn abwischte, sagte sie plötzlich: «Du bisch e Liebi.»

Erfahren, was das Leben wirklich trägt

Palliative Care hat aber auch die Angehörigen im Auge. Die intensive Begegnung mit schwerer Krankheit und Sterben stellt das Leben der «Gesunden» mit in Frage. Manchen wird erst dann bewusst, wie sehr sie auf Selbstbestimmung fixiert sind, und sie erfahren das Bedürfnis, Bedeutung für andere zu haben. So lehrt die Grenzsituation beide Seiten – die Kranken und ihre Angehörigen, die Pflegebedürftigen und die Pflegenden – zu begreifen, was ihr Leben wirklich trägt.

Wissen um Grenzen und Kraftquellen

Die künftigen Begleiterinnen und Begleiter vertreten auch eine Kirche und sollen spirituell verankert sein. Pfrn. Karin Tschanz sprach mit Text- und Musikbeispielen die geistlichen Ressourcen an. In der Arbeit in Kleingruppen suchten die Teilnehmenden dann nach dem, was ihnen Halt gibt. Sie beschäftigten sich aber auch mit dauernden und punktuellen Stressfaktoren, die sie bei der Begleitung Schwerkranker behindern können.

Nur wer die eigenen Grenzen und die eigenen Kraftquellen kennt, kann die beiden unabdingbaren Voraussetzungen für den Umgang mit Kranken erfüllen: sich auf das Gegenüber einlassen und sich abgrenzen. Palliative Care verhilft so nicht nur zu einem respektvollen und herzlichen Umgang mit den Patienten, sondern auch mit den Mitmenschen und mit sich selbst.

Reinhold Bruder

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